Abschiedsspaziergang

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Noch einmal schlüpfe ich in Wollsocken, Lederschuhe, Winterjacke und stülpe die Mütze auf, an der ich erst vor wenigen Tagen die Fäden vernähte. Es weht ein kalter Wind, als ich losgehe. Erst zum Briefkasten. Eine Freundin bekommt ihre Fahrkarte wieder, die andere einen USB-Stick. Dann zur Apotheke. Ein Mittel gegen Blasenentzündung abholen. Nur für den Fall.

Und dann gehe ich weiter, den Schulweg von früher entlang. Der Wind pustet kalt durch meine Hosenbeine. Ab und zu bleibt eine Schneeflocke auf meiner Jacke sitzen, nur einen Augenblick und schon ist sie weg. Weil mein Päckchen mit dem Saatgut, dass ich letzte Woche bestellte, erst nach meiner Abreise eintreffen wird, gehe ich in eine kleine, verkramte Drogerie, die wie aus einer anderen Welt gefallen eisern den bunten Geschäften trotzt.

Eine Klingel schrillt, als ich die Eingangstür öffne. In den Regalen stehen Pflanzenschutzmittel, Zahnpasta und Schreibwaren. Vor einigen Jahren kaufte ich hier Weinhefe. Immer bin ich die einzige Kundin und es riecht, wie in der Wohnung meiner Großtante. Die Drogistin reicht mir zwei Päckchen mit Basilikumsamen und eins mit Petersilie und ich ihr zwei Euro. Beim Verlassen des Ladens bimmelt es wieder. Ich überquere die Straße und gehe weiter.

Insgeheim beäuge ich die Vorgärten und über jeden, der Kies statt Blumen vor sein Haus sät, rümpfe ich die Nase. Kies ist schlimmer als Rindenmulch und in Kombination mit Koniferen nimmt jeder Schmetterling, jede Biene Reissaus. Ach, ach. Haben die Leute vergessen, wie schön grüne Blätter und bunte Knospen sind? Dann komme ich an einem verwunschenen Haus vorbei und der Vorgartengroll ist vergessen. Hinter den alten Fenstern leuchtet es gemütlich, sicher ist es drinnen warm und behaglich. Oder bilde ich mir nur ein, dass der Ofengeruch aus dem Schornstein dieses Hauses stammt? Im Garten wuchert es. Selbst jetzt im Januar lässt sich erahnen, was hier im Sommer für ein Dschungel wachsen mag. Eine Hecke drängt den hölzernen Gartenzaun beiseite. Vor der Garage steht ein bunt bemaltes Wohnmobil. Von Kies und Koniferen keine Spur. Es schneit jetzt stärker. Eine Frau steigt aus einem neben dem Fußweg geparkten Auto aus. Dann lockt sie ihren Hund. „Biene, komm mit. Oma will nach Hause“, ruft sie. Biene will nicht, ich kann sie gut verstehen. Kalt ist es, der Schnee schmilzt in meinem Gesicht und nie schien die Tropenwärme weiter entfernt.

Fünftausend Schritte später komme ich wieder nach Hause. Zum letzten Mal für diesen Besuch. Im Koffer stapeln sich Katzenleckerlis, Wolle, Magnesiumtabletten, Schokolade und Klamotten. Das Ticket ist ausgedruckt, der Pass liegt bereit. Morgen geht der Flieger.

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