Allmonatlich vermerkt das fabelhafte Fräulein Read On auf ihrem Blog die Gerüche des vergangenen Monats und lädt ihre Leser*innen ein, es ihr gleichzutun. Heute habe ich mich auch einmal hingesetzt und daran erinnert, wonach die vergangenen vier Wochen rochen.
Der November in Indonesien riecht nach nassen Dachziegeln, nasser Erde, nassen Sachen. Die Regenzeit beginnt. Der erste kräftige Tropenregen rüttelt den gesammelten Dreck der Trockenzeit auf unsere Köpfe und in der Küche tun sich neue Lecks im Dach auf. Und so riecht der November nach nassem Beton im Haus und nach der Freude des Katers, der die geflügelten Termiten fängt, die nach einem heftigen Regen ihren Hochzeitsflug antreten (und im Katermagen landen). Und dann die klare, saubere Luft am Abend! Eine Wohltat nach all den stickigen, heißen Tagen, an denen ich nur klebrig dasitzen und nichts tun konnte. Weil die Wäscherei unsere Klamotten nicht richtig trocknet, riecht der November unappetitlich und dumpf nach gestockten Sachen und darüber schwebt das blumige Aroma des Wäschedufts, der hier so reichlich verwendet wird. Daraufhin suchten wir eine neue Wäscherei und schon roch der November wieder gut, sobald ich das Paket mit den frisch gewaschenen Kleidern öffne.
Ganz neu riecht der November, als wir eine Freundin und ihr nur wenige Wochen altes Baby besuchen. Noch nie sah ich ein winzigeres Menschlein und der Wunsch nach einer eigenen Familie, der in mir schon viele Monate wächst, treibt neue Blüten.
Weil wir gemeinsam mit einem Video aus dem Internet Sport treiben, riecht der November nach Schweiß, meiner abgegriffenen, zerkratzten Yogamatte und Stolz auf das Erreichte. Verwundert schauen uns die Katzen zu, als wir zum ersten Mal vor dem Laptop herumspringen und die Arme durch die Luft schleudern. Beim zweiten Mal schon ignorieren sie uns nach Katzenart.
Der November riecht nach dem letzten Pesto und dem Aroma des Basilikums an meinen Händen, als ich die alten Pflanzen entsorge. Zu viele Wanzen und Blüten, neues Saatgut muss her. Der November riecht nach brennendem Bambus und dem schweren Duft der Pflanze, die nur nachts blüht. Ihr Geruch ähnelt dem neuen Parfüm, das seit kurzem in meinem Schrank steht und mich nun manchmal umsäuselt
Der November riecht auch nach Aufbruch. Nach Koffern, die beinah ein Jahr lang ungeöffnet herumstanden und Staub fingen. Nach vielerlei Listen und dem Kaffee, den ich als Mitbringsel kaufe. Zwischen all dem Trubel riecht der November plötzlich nach Angst, als die Katze wenige Tage vor Abflug schwer krank wird und nur knapp die Vergiftung überlebt. Nach dem Desinfektionsmittel in der Tierklinik und Tränen, denn vier Jahre sind viel zu kurz und sollen noch nicht enden. Nie wieder werde ich das schuldige Putzmittel anfassen (und auch danach riecht der November). Und weil ich bei all dem Herumgefahre auf dem Motorrad Schal und Sonnencreme vergaß, riecht der November nach der Salbe, die ich auf meinen Sonnenbrand streiche.
Zwei Langstreckenflüge trocknen meine Nase aus und achtundvierzig Stunden lang rieche ich gar nichts außer Nasenspray. Und jetzt, am letzten Novembertag rieche ich endlich wieder gewohnte Novemberdüfte: feuchtes Laub, das ferne Aroma eines Kachelofens, das Haus der Eltern, Gemeinsamkeit. Creme für die plötzlich trockene Haut, die Winterpullover, die ein Jahr auf mich warteten. Die schwere, lang vermisste Bettdecke hüllt mich in Wärme und den Duft nach Zuhause.
Für eine lange Viertelstunde riecht der November nach einem ungewaschenen Menschen in der Straßenbahn. Die Leute halten sich die Nasen zu, fluchen oder reisen Witze. Ich ziehe den Schal höher und schäme mich für mich und die anderen. Der Gestank der Armut, wir halten ihn aus, ohne etwas zu tun. Nur was, was können wir tun? Auch ich habe nichts gemacht. Wo waren Mitgefühl und Menschlichkeit in dieser Straßenbahn?